Donnerstag, 26. April 2012
Küstentreffen [2]
manolo ramon, 20:26h
Schon bald hatte Mentos bereut, dass er das nicht uneigennützige Angebot des Taxifahrers abgelehnt hatte, ihn zum Hotel zu bringen. Trotz des regnerischen Wetters begann er in seinem Dufflecoat zu schwitzen. Das Gepäck machte den Gang durch den Park auch nicht angenehmer.
Spontan hatte sich Mentos entschieden, dass er zwei Tage in einer kleinen Pension bleiben wollte, Der Graf rechnete erst übermorgen mit seiner Ankunft.
So blieb noch etwas Zeit den Zauber der Vergangenheit wieder aufleben zu lassen. Die verflossene Zeit, die wie ein Kaugummi unter der Schuhsohle, als blinder Passagier mit in das heutige Leben reist.
Ein Schild wies die Richtung der Pension an, leider ohne Streckenangabe.
Mentos ließ eine gebückte, alte Frau passieren, die ihren leise winselnden Vierbeiner Gassi führte.
Er schenkte den beiden ein müdes Lächeln.
Der nasse Wind trug das Allegro der Frauchen – zu – Hund – Unterhaltung mit sich fort.
Noch wenige Meter trennten den großen Mann vom Seitentor in der bemoosten Parkmauer.
Langsam begann sich in ihm die Neugierde zu regen, weshalb der Jüngere Freund ihn so dringend hier oben am Meer brauchte.
Die Tinte schien von hektischer Hand zu Papier gebracht worden. In den Zeilen hatten sich mehrere Flüchtigkeitsfehler versteckt.
Das war sonst nicht die Art des Grafen, überhaupt nicht. Seine Briefe hatten immer etwas Ästhetisches. Obwohl der hier lebende keinen Adelstitel trug, war wenigstens seine Handschrift die eines Menschen, durch den blaues Blut floss. So sah es jedenfalls Mentos.
Am Ausgang des Parks angelte er sich eine Zigarette aus der Manteltasche. Knisternd machte sich wohlige Entspannung breit. In der Lendenwirbelsäule zog etwas schmerzend. Das Alter, bin nicht mehr der Jüngste, dachte er still.
Die kleine Pension lag direkt vis - à - vis. Ein leckerer Kaffee würde ihm jetzt gut tun. Gedankenversunken beobachtete er die Choreografie der tanzenden Herbstblätter. Sie wirbelten in einem bunten Strudel über den feuchten Asphalt. Das Rascheln lag in seinen Ohren.
Ungesehen nährte sich ein junges Mädchen auf ihrem Rad. Sie fuhr an dem Raucher vorbei und verschwand hinter parkenden Autos.
An einem anderen Tag wären seine Blicke sicher ihren wehenden Haaren gefolgt. Aber nicht hier und heute.
In Mentos fiel ein eisiger Regen. Er stand wie ein Monolith zwischen seinem Gepäck.
Etwas schoss wie ein Squashball durch seine kantige Schädelhöhle, raste glühend durch sein Gehirn. Übelkeit überkam ihn, und eine Leere. Ein Nichts, das sich dem Körper zu bemächtigen schien.
Blätter die Rascheln und das Surren der Speichen. Pedale die klacken, klacken, klacken, klacken und klacken.
Angetrieben von einer unbekannten Macht, dazu Regen, eisige Tropfen.
Peitschenschläge in die Augen und ein glühender Stab der sich langsam durch Trommelfell, Gehirn und Trommelfell bohrte. Ein Tsunami der Angst.
In Wirklichkeit Regen und Fahrradgeräusche.
Mentos zuckte zusammen, die Kippe war bis zu seinen Fingern abgebrannt. Er warf sie in den Rinnstein.
Er nahm sich vor dem Rat einer alten Schulfreundin zu folgen, ihres Zeichens Psychologin, früher eine ausgeflippte Hippietante.
„Du bist gestresst! – Gönne dir mal eine Pause, ehrlich!“, sie hatte es ernst gemeint. Mentos hatte genickt und Besserung gelobt, dann hatte er das Gespräch in sicheres Fahrwasser gelenkt.
Sie saßen dort schließlich nicht in einer Praxis, sondern bei ihrem Lieblingsitaliener.
Mentos war schon immer voller Vorfreude, wenn ihr Treffen im Kalender näher rückte.
„Cédric, ich meine das ernst. Irgendwas ist doch mit dir!?“, Elisa sah besorgt aus. Er kannte ihre Mine, diesen Forschungsdrang in ihren Augen. Eine einzelne graue Haarsträhne fiel ihr ins Gesicht.
Sie blies sie weg. Cédric, sie war die Einzige die ihn so nannte.
Komischerweise, denn so hieß er doch.
Luisa und die elegante Frau auf der anderen Tischseite ähnelten einander schon.
Unter der rosa Bluse ruhten diese beiden bezaubernden Wölbungen, die seine anfänglich verschwitzten Finger so oft liebkost hatten.
Zitternd hatten sie beide die Wonnen und Feuerwerke der Liebe miteinander entdeckt und erlebt, sich gegenseitig ertastend und führend.
Elisa raunte im leise zu: „Weiß deine Frau, dass du anderen Frauen auf den Busen starrst, wie ein verklemmter Operprimaner, Mhm!?“
Ertappt hatte er den Blick gehoben und in ihre Augen gesehen. Sie hatte immer noch diese Grübchen, wenn sie lachte. Beide hatten geschmunzelt.
Peinliche Stille war nicht aufgekommen. „Ihr Jungs werdet wahrscheinlich nie erwachsen? Ihr denkt immer nur an das eine!“, feixte sie.
Sie hatten einen schönen Abend verbracht. Vielleicht sollte er sie einmal um fachlichen Rat fragen?
Mit grober Kraft nahm Mentos sein Gepäck auf und überquerte die Straße. Die Person in dem alten Volvo hatte er nicht bemerkt. Als die Tür der Pension ins Schloss gefallen war, glitt das Fahrzeug ungesehen aus der Parklücke und verlor sich im Verkehrsfluss. Die Musik von Chopin wurde lautergedreht, ein Feuerzeug klickte. Tabakduft waberte durchs Auto.
Auf dem Tisch eines Hauses klingelte ein Telefon.
Der Anrufer wurde nervös. Die Nummer musste stimmen. Endlich wurde abgehoben. Die Verbindung war sehr schlecht, es rauschte in der Leitung. Im Hintergrund schrie ein Papagei.
„Hören Sie! Sind Sie sich ganz sicher!?“, vergewisserte sich jemand knapp und herrisch auf Französisch. Die Kälte und Tonlage, die durch die Leitung klangen, duldeten kein „Nein!“ als Antwort.
Auf dem Marmorboden zerbarst ein Weinglas. Das Klirren hallte durch die Freisprecheinrichtung.
Unwillkürlich beschleunigte das alte Fahrzeug.
„Ich will, ich werde...ich bitte Sie, dass...!“, stammelte ein Mensch ohne jegliche Hoffnung. Die Finger krallenartig um das Lenkrad geklammert. Momente in denen sich blinde Wut breit macht, und Menschen zu Bestien und Mördern werden könnten, Menschen, die...
Das Auto überfuhr eine rote Ampel, viel zu schnell.
„Sie wählen doch im Leben, oder!? Sie können immer wählen, habe ich recht!?“ Das konnte jetzt nur ein zynischer Sadist sagen, ein Mensch der nie ein Herz oder Gefühle gehabt hatte.
Ein Schwein das lebendig gebraten gehörte, während man ihm das Rückenmark mit einer Pinzette aus dem Wirbelkanal zog. Oh Gott, oh Gott!! – Am Telefon war ein solches Schwein, ein Zwitterwesen aus Scheiße und allem Übel dieser Welt.
Raumfüllendes Schweigen machte sich breit. Der Angerufene legte wortlos auf.
Auf der Kreuzung wendete mit einem Quietschen ein Auto, holte auf und setzte sich dicht an den Kofferraum.
Blaues Stroboskoplicht blitzte auf. Der Lautsprecher plärrte laut:
„Polizei! Rechts ranfahren!“
Mentos hätte besser noch eine zweite Tasse Kaffee getrunken, und sich dann ausgeruht. Aber er trat nach kurzer Zeit noch mal hinaus ins Dunkel der kleinen Hafenstadt, ohne bestimmtes Ziel. Sein Gepäck hatte er auch noch nicht ausgepackt. Er wollte sich die Müdigkeit vertreiben, etwas essen- gehen. Das Schicksal hatte Mentos aber schon fest im Visier, aus dem Fadenkreuz gab es kein entkommen mehr, hatte es auch nie gegeben...
Spontan hatte sich Mentos entschieden, dass er zwei Tage in einer kleinen Pension bleiben wollte, Der Graf rechnete erst übermorgen mit seiner Ankunft.
So blieb noch etwas Zeit den Zauber der Vergangenheit wieder aufleben zu lassen. Die verflossene Zeit, die wie ein Kaugummi unter der Schuhsohle, als blinder Passagier mit in das heutige Leben reist.
Ein Schild wies die Richtung der Pension an, leider ohne Streckenangabe.
Mentos ließ eine gebückte, alte Frau passieren, die ihren leise winselnden Vierbeiner Gassi führte.
Er schenkte den beiden ein müdes Lächeln.
Der nasse Wind trug das Allegro der Frauchen – zu – Hund – Unterhaltung mit sich fort.
Noch wenige Meter trennten den großen Mann vom Seitentor in der bemoosten Parkmauer.
Langsam begann sich in ihm die Neugierde zu regen, weshalb der Jüngere Freund ihn so dringend hier oben am Meer brauchte.
Die Tinte schien von hektischer Hand zu Papier gebracht worden. In den Zeilen hatten sich mehrere Flüchtigkeitsfehler versteckt.
Das war sonst nicht die Art des Grafen, überhaupt nicht. Seine Briefe hatten immer etwas Ästhetisches. Obwohl der hier lebende keinen Adelstitel trug, war wenigstens seine Handschrift die eines Menschen, durch den blaues Blut floss. So sah es jedenfalls Mentos.
Am Ausgang des Parks angelte er sich eine Zigarette aus der Manteltasche. Knisternd machte sich wohlige Entspannung breit. In der Lendenwirbelsäule zog etwas schmerzend. Das Alter, bin nicht mehr der Jüngste, dachte er still.
Die kleine Pension lag direkt vis - à - vis. Ein leckerer Kaffee würde ihm jetzt gut tun. Gedankenversunken beobachtete er die Choreografie der tanzenden Herbstblätter. Sie wirbelten in einem bunten Strudel über den feuchten Asphalt. Das Rascheln lag in seinen Ohren.
Ungesehen nährte sich ein junges Mädchen auf ihrem Rad. Sie fuhr an dem Raucher vorbei und verschwand hinter parkenden Autos.
An einem anderen Tag wären seine Blicke sicher ihren wehenden Haaren gefolgt. Aber nicht hier und heute.
In Mentos fiel ein eisiger Regen. Er stand wie ein Monolith zwischen seinem Gepäck.
Etwas schoss wie ein Squashball durch seine kantige Schädelhöhle, raste glühend durch sein Gehirn. Übelkeit überkam ihn, und eine Leere. Ein Nichts, das sich dem Körper zu bemächtigen schien.
Blätter die Rascheln und das Surren der Speichen. Pedale die klacken, klacken, klacken, klacken und klacken.
Angetrieben von einer unbekannten Macht, dazu Regen, eisige Tropfen.
Peitschenschläge in die Augen und ein glühender Stab der sich langsam durch Trommelfell, Gehirn und Trommelfell bohrte. Ein Tsunami der Angst.
In Wirklichkeit Regen und Fahrradgeräusche.
Mentos zuckte zusammen, die Kippe war bis zu seinen Fingern abgebrannt. Er warf sie in den Rinnstein.
Er nahm sich vor dem Rat einer alten Schulfreundin zu folgen, ihres Zeichens Psychologin, früher eine ausgeflippte Hippietante.
„Du bist gestresst! – Gönne dir mal eine Pause, ehrlich!“, sie hatte es ernst gemeint. Mentos hatte genickt und Besserung gelobt, dann hatte er das Gespräch in sicheres Fahrwasser gelenkt.
Sie saßen dort schließlich nicht in einer Praxis, sondern bei ihrem Lieblingsitaliener.
Mentos war schon immer voller Vorfreude, wenn ihr Treffen im Kalender näher rückte.
„Cédric, ich meine das ernst. Irgendwas ist doch mit dir!?“, Elisa sah besorgt aus. Er kannte ihre Mine, diesen Forschungsdrang in ihren Augen. Eine einzelne graue Haarsträhne fiel ihr ins Gesicht.
Sie blies sie weg. Cédric, sie war die Einzige die ihn so nannte.
Komischerweise, denn so hieß er doch.
Luisa und die elegante Frau auf der anderen Tischseite ähnelten einander schon.
Unter der rosa Bluse ruhten diese beiden bezaubernden Wölbungen, die seine anfänglich verschwitzten Finger so oft liebkost hatten.
Zitternd hatten sie beide die Wonnen und Feuerwerke der Liebe miteinander entdeckt und erlebt, sich gegenseitig ertastend und führend.
Elisa raunte im leise zu: „Weiß deine Frau, dass du anderen Frauen auf den Busen starrst, wie ein verklemmter Operprimaner, Mhm!?“
Ertappt hatte er den Blick gehoben und in ihre Augen gesehen. Sie hatte immer noch diese Grübchen, wenn sie lachte. Beide hatten geschmunzelt.
Peinliche Stille war nicht aufgekommen. „Ihr Jungs werdet wahrscheinlich nie erwachsen? Ihr denkt immer nur an das eine!“, feixte sie.
Sie hatten einen schönen Abend verbracht. Vielleicht sollte er sie einmal um fachlichen Rat fragen?
Mit grober Kraft nahm Mentos sein Gepäck auf und überquerte die Straße. Die Person in dem alten Volvo hatte er nicht bemerkt. Als die Tür der Pension ins Schloss gefallen war, glitt das Fahrzeug ungesehen aus der Parklücke und verlor sich im Verkehrsfluss. Die Musik von Chopin wurde lautergedreht, ein Feuerzeug klickte. Tabakduft waberte durchs Auto.
Auf dem Tisch eines Hauses klingelte ein Telefon.
Der Anrufer wurde nervös. Die Nummer musste stimmen. Endlich wurde abgehoben. Die Verbindung war sehr schlecht, es rauschte in der Leitung. Im Hintergrund schrie ein Papagei.
„Hören Sie! Sind Sie sich ganz sicher!?“, vergewisserte sich jemand knapp und herrisch auf Französisch. Die Kälte und Tonlage, die durch die Leitung klangen, duldeten kein „Nein!“ als Antwort.
Auf dem Marmorboden zerbarst ein Weinglas. Das Klirren hallte durch die Freisprecheinrichtung.
Unwillkürlich beschleunigte das alte Fahrzeug.
„Ich will, ich werde...ich bitte Sie, dass...!“, stammelte ein Mensch ohne jegliche Hoffnung. Die Finger krallenartig um das Lenkrad geklammert. Momente in denen sich blinde Wut breit macht, und Menschen zu Bestien und Mördern werden könnten, Menschen, die...
Das Auto überfuhr eine rote Ampel, viel zu schnell.
„Sie wählen doch im Leben, oder!? Sie können immer wählen, habe ich recht!?“ Das konnte jetzt nur ein zynischer Sadist sagen, ein Mensch der nie ein Herz oder Gefühle gehabt hatte.
Ein Schwein das lebendig gebraten gehörte, während man ihm das Rückenmark mit einer Pinzette aus dem Wirbelkanal zog. Oh Gott, oh Gott!! – Am Telefon war ein solches Schwein, ein Zwitterwesen aus Scheiße und allem Übel dieser Welt.
Raumfüllendes Schweigen machte sich breit. Der Angerufene legte wortlos auf.
Auf der Kreuzung wendete mit einem Quietschen ein Auto, holte auf und setzte sich dicht an den Kofferraum.
Blaues Stroboskoplicht blitzte auf. Der Lautsprecher plärrte laut:
„Polizei! Rechts ranfahren!“
Mentos hätte besser noch eine zweite Tasse Kaffee getrunken, und sich dann ausgeruht. Aber er trat nach kurzer Zeit noch mal hinaus ins Dunkel der kleinen Hafenstadt, ohne bestimmtes Ziel. Sein Gepäck hatte er auch noch nicht ausgepackt. Er wollte sich die Müdigkeit vertreiben, etwas essen- gehen. Das Schicksal hatte Mentos aber schon fest im Visier, aus dem Fadenkreuz gab es kein entkommen mehr, hatte es auch nie gegeben...
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Samstag, 14. April 2012
Küstentreffen
manolo ramon, 16:09h
Mentos saß im Zug Richtung Norden. Hamburg hatte den Reisenden mit verhaltenem Sonnenschein verabschiedet. Eben noch erreichte er mit seinen schweren Trolly und der Lederreisetasche den Anschlusszug, gerade noch rechtzeitig. Die Anzahl der drängenden Menschen war stark geschrumpft. Der logischste Grund war wahrscheinlich, dass keiner an die Küste wollte, wenn es so schien, als wäre ein Teil der Nordsee an den Himmel gehängt worden und mache sich nun, tropfenförmig, wieder auf, um an ihren Ursprungsort zurück zu kehren. Tausende der heimwehkranken Tropfen fielen am Ziel vorbei und landeten auf nassen Schafen, die auf Wiesen draußen vor den Zugfenstern kauerten. Arme Schweine, diese durchweichten Wollknäule. Nachdem Mentos den Sportteil der Zeitung gelangweilt durchblättert hatte und den letzten Schluck des nun eiskalten Kaffees getrunken hatte, zog er den Brief vom Graf aus seinem Sakko.
Es war schon verwunderlich, dass er um diese Jahreszeit schrieb. Weihnachten konnte sich vor seinem großen Auftritt noch etwas ausruhen. Wie viele Wochen waren es noch? – mehr als sieben. Der Inhalt des Schreibens war knapp und eindringlich. Der Freund bat ihn an die Küste zu kommen. Dass der Graf den handgeschriebenen Brief einer E-Mail vorzog, und auch nicht den Weg eines Videotelefonates wählte, würde vielleicht Leandra verwundern. Es würde vielleicht. Mentos dachte es sich, wissen konnte es aber niemand.
Leandra wirbelte als bunter Schatten vorbei. „Schau mal, schau mal, ohne Stützräder!“
Ein Kind das auf seinen Schultern eingeschlafen war. Ein Mädchen das über das Ganze Gesicht strahlte, als sie Weihnachten zusammen saßen und feierten. Urlaube am Meer, mit Möwen.
„Darf ich dir beim Kochen helfen? – Natürlich, mein Spatz, das kannst du!“. Leandra als querdenkende Teenagerin, die seine Nerven wie Muskeln trainierte. Eine bezaubernde junge Frau mit femininen und willensstarken Zügen, ihre strahlenden Augen, in der Hand das Abiturzeugnis...
Mentos lächelte in sich hinein, ihn durchflutete ein warmes Rauschen, das Gefühl von tiefer Liebe, das durch seine Blutbahn schoss. Er hörte eine so vertraute Stimme aus der Ferne rufen und Lachen.
Die tragende Melodie der Vergangenheit, die langsam immer leiser wurde. Das war ihm schon in den vergangen Jahren voller Angst schmerzlich bewusst geworden.
Der Zug bremste unsanft und der 53-jährige wischte sich mit einer Hand salzige Tränen aus den Augen. Die nassen Spuren brannten auf seinen Wangen.
Mit tiefem Durchatmen konnte er die Enge um sein Herz vertreiben. Langsam fasste er sich wieder.
Eine ganz bestimmte Melagne aus Erinnerungen und Gefühlen versetzte ihn immer in diese melancholische Stimmung. Manchmal war es ihm unangenehm, gerade wenn andere dabei waren. Kriminalkommissare sind auch nur Menschen, beruhigte er sich. Das Handy signalisierte vier Anrufe in Abwesenheit. Mittlerweile war es Nachmittag geworden.
„In wenigen Minuten erreichen wir Husum – The next Stopp is Husum!“
„Schreibe ihr!“, das war vor mehr als dreißig Jahren gewesen. Mentos hatte auf den Rat seines Freundes gehört. Mit einem Brief hatte alles begonnen. Vielleicht aber schon in dem Moment als der Graf seine Kamera im Husumer Hafenwasser versenkt hatte. Eine Kettenreaktion deren Ausläufer bis zum heutigen Tag andauerten, und noch lange nicht enden sollten. Dieser Umstand entzog sich aber den Vorstellungen des Kommissars.
Damals, da waren sie noch zwei sich völlig Unbekannte, Studenten. Sie standen neben einander und beobachteten die Fischer, wie sie auf eine grobe Weise Krabbenkörbe entluden.
Der Graf war gestolpert, als er Luisa festhalten wollte, als sie an einem dicken Tau hängen blieb.
Er griff im Fall nach dem schmalen Mann, der dadurch seine Kamera verlor.
„Bist du bescheuert!?“, war er von Mentos angefahren worden. Ruhig und mit einem entschuldigenden Lächeln auf dem offenen Gesicht, hatte dieser entgegnet: „Nö, mein Name ist Hauke“. So hatten sie sich kennen gelernt. Die Umstehenden hatten den Wortabtausch gespannt verfolgt, vielleicht erhoffte sich der eine oder andere eine kleine Freiluft Keilerei im Hafen. Handgreiflichkeiten blieben aber aus.
Für Mentos wurde in jenen Tagen aus Hauke, der Graf, weil: wer an diesem Ort herumläuft und Hauke heißt, kann doch nur der Deichgraf sein, der nachts auf seinem Schimmel durch stormsche Landschaften jagt.
Der Strudel der Zeit hatte sie beide eng zusammengeschweißt. Ihre Lebensläufe begannen sich langsam zu verflechten, in diesem lange vergangenen Sommer.
Eine unbekannte Macht schien sie damals unter der wärmenden Sonne auf dem Kopfsteinpflaster der pittoresken Hafenstadt zusammengeführt zu haben:
Den Grafen, Luisa und Mentos. Leandra war damals noch nicht Teil seiner zärtlichsten Gedanken und Quelle seiner Freude. Die schöne Dunkelblonde mit den klaren, dunklen Augen ruhte noch lange in den Tiefen der Zeit, bevor ihr erster, kräftiger Schrei ihre Lungen entfalteten und mit Sauerstoff füllen sollte. Mentos sollte das reißende Gefühl des sehnenden Vermissens erst noch erfahren, das tiefe Furchen in sein Herz pflügen, und sein Hirn nachts nicht zur Ruhe kommen lassen sollte...
[Fortsetzung wird noch folgen]
Manolo Ramon // 14. April 2012
Es war schon verwunderlich, dass er um diese Jahreszeit schrieb. Weihnachten konnte sich vor seinem großen Auftritt noch etwas ausruhen. Wie viele Wochen waren es noch? – mehr als sieben. Der Inhalt des Schreibens war knapp und eindringlich. Der Freund bat ihn an die Küste zu kommen. Dass der Graf den handgeschriebenen Brief einer E-Mail vorzog, und auch nicht den Weg eines Videotelefonates wählte, würde vielleicht Leandra verwundern. Es würde vielleicht. Mentos dachte es sich, wissen konnte es aber niemand.
Leandra wirbelte als bunter Schatten vorbei. „Schau mal, schau mal, ohne Stützräder!“
Ein Kind das auf seinen Schultern eingeschlafen war. Ein Mädchen das über das Ganze Gesicht strahlte, als sie Weihnachten zusammen saßen und feierten. Urlaube am Meer, mit Möwen.
„Darf ich dir beim Kochen helfen? – Natürlich, mein Spatz, das kannst du!“. Leandra als querdenkende Teenagerin, die seine Nerven wie Muskeln trainierte. Eine bezaubernde junge Frau mit femininen und willensstarken Zügen, ihre strahlenden Augen, in der Hand das Abiturzeugnis...
Mentos lächelte in sich hinein, ihn durchflutete ein warmes Rauschen, das Gefühl von tiefer Liebe, das durch seine Blutbahn schoss. Er hörte eine so vertraute Stimme aus der Ferne rufen und Lachen.
Die tragende Melodie der Vergangenheit, die langsam immer leiser wurde. Das war ihm schon in den vergangen Jahren voller Angst schmerzlich bewusst geworden.
Der Zug bremste unsanft und der 53-jährige wischte sich mit einer Hand salzige Tränen aus den Augen. Die nassen Spuren brannten auf seinen Wangen.
Mit tiefem Durchatmen konnte er die Enge um sein Herz vertreiben. Langsam fasste er sich wieder.
Eine ganz bestimmte Melagne aus Erinnerungen und Gefühlen versetzte ihn immer in diese melancholische Stimmung. Manchmal war es ihm unangenehm, gerade wenn andere dabei waren. Kriminalkommissare sind auch nur Menschen, beruhigte er sich. Das Handy signalisierte vier Anrufe in Abwesenheit. Mittlerweile war es Nachmittag geworden.
„In wenigen Minuten erreichen wir Husum – The next Stopp is Husum!“
„Schreibe ihr!“, das war vor mehr als dreißig Jahren gewesen. Mentos hatte auf den Rat seines Freundes gehört. Mit einem Brief hatte alles begonnen. Vielleicht aber schon in dem Moment als der Graf seine Kamera im Husumer Hafenwasser versenkt hatte. Eine Kettenreaktion deren Ausläufer bis zum heutigen Tag andauerten, und noch lange nicht enden sollten. Dieser Umstand entzog sich aber den Vorstellungen des Kommissars.
Damals, da waren sie noch zwei sich völlig Unbekannte, Studenten. Sie standen neben einander und beobachteten die Fischer, wie sie auf eine grobe Weise Krabbenkörbe entluden.
Der Graf war gestolpert, als er Luisa festhalten wollte, als sie an einem dicken Tau hängen blieb.
Er griff im Fall nach dem schmalen Mann, der dadurch seine Kamera verlor.
„Bist du bescheuert!?“, war er von Mentos angefahren worden. Ruhig und mit einem entschuldigenden Lächeln auf dem offenen Gesicht, hatte dieser entgegnet: „Nö, mein Name ist Hauke“. So hatten sie sich kennen gelernt. Die Umstehenden hatten den Wortabtausch gespannt verfolgt, vielleicht erhoffte sich der eine oder andere eine kleine Freiluft Keilerei im Hafen. Handgreiflichkeiten blieben aber aus.
Für Mentos wurde in jenen Tagen aus Hauke, der Graf, weil: wer an diesem Ort herumläuft und Hauke heißt, kann doch nur der Deichgraf sein, der nachts auf seinem Schimmel durch stormsche Landschaften jagt.
Der Strudel der Zeit hatte sie beide eng zusammengeschweißt. Ihre Lebensläufe begannen sich langsam zu verflechten, in diesem lange vergangenen Sommer.
Eine unbekannte Macht schien sie damals unter der wärmenden Sonne auf dem Kopfsteinpflaster der pittoresken Hafenstadt zusammengeführt zu haben:
Den Grafen, Luisa und Mentos. Leandra war damals noch nicht Teil seiner zärtlichsten Gedanken und Quelle seiner Freude. Die schöne Dunkelblonde mit den klaren, dunklen Augen ruhte noch lange in den Tiefen der Zeit, bevor ihr erster, kräftiger Schrei ihre Lungen entfalteten und mit Sauerstoff füllen sollte. Mentos sollte das reißende Gefühl des sehnenden Vermissens erst noch erfahren, das tiefe Furchen in sein Herz pflügen, und sein Hirn nachts nicht zur Ruhe kommen lassen sollte...
[Fortsetzung wird noch folgen]
Manolo Ramon // 14. April 2012
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