Samstag, 14. April 2012
Unser Bild
manolo ramon, 19:38h
Ich atme mit einem tiefen Seufzer ein, mein rechter Arm fällt ins Leere. Wie oft haben wir zusammen auf den alten Dielen gestanden, die auch jetzt noch knarren wenn ich durchs Zimmer laufe?
A-ha singen immer noch, so als wäre nichts gewesen. Reflexartig wollte ich meinem Arm um sie legen, aber sie ist nicht mehr da, wo sie immer stand. Draußen dämmert es bereits, mir läuft ein eisiger Schauer über den Rücken. Zwischen unser Bild und meine Augen legt sich ein salziger Nebel, der alles verschwimmen lässt.
Das Bild verliert seine Farben, Traurigkeit und Wut lassen es hässlich werden. Wie konnte ich es so sehr lieben, wie ich es heute verabscheue!?
Blanke Wut steigt mir in den Kopf, am liebsten würde ich den Rahmen von der Staffelei reißen, das Bild in tausend Fetzen auf dem Boden liegen sehen.
Sie wäre vielleicht entsetzt, käme sie jetzt zur Tür herein.
Die Zeit ist eingefroren, wie viel Uhr ist es wohl gerade? Was tut sie wohl gerade? Wo ist sie überhaupt? Wohin ist sie gegangen?
Schwere Tränen trocknen langsam auf meinem Gesicht und lassen die Haut jucken. Wir zwei haben immer an unserem Bild gemalt, haben nebeneinander gestanden. Oft, sehr oft, fast immer.
Die Pinsel verteilten die Farbe auf der Leinwand, ohne dass wir sprachen. Das Motiv unseres Gemäldes wechselte hin und wieder, aber war immer etwas, was uns beiden gehörte, nur uns zwei.
Manchmal malten sie oder ich auch alleine, wenn der andere nicht da war, aber immer wusste ich, dass nach der Rückkehr der andere weitermalen würde.
Schöne Harmonie, rein utopisch! – Natürlich haben wir uns auch oft gestritten, es hat Ärger gegeben. Das Auf und Ab, wie in jeder Beziehung. Jetzt wirkt das Bild halb fertig, viele Stellen sind noch weiß. Ich tunke den Pinsel in die Farbe, werfe ihn dann aber quer durch den Raum. Nach einem lauten >>Klack<< fällt er auf den Boden.
Ohne sie fühlt sich vieles schal an, wertlos. Selbst der heiße Kaffee ist kalt. Alles ist so umsonst und richtig unnötig.
Habe ich nicht gemerkt, dass sie seit längerem anders malte als sonst? Wo war sie in Gedanken? Wie unbefriedigend war ihr >>Ach nix!<< wenn ich sie fragte, an was sie gerade dachte.
Hatte ich nur mich selbst im Kopf, war ich weniger Aufmerksam?
Hätte ich es gemerkt, stände ich heute nicht vor diesem Scherbenhaufen oder doch? Wo ist das Gefühl der tiefen Verbundenheit hin, verschwunden im Mülleimer der Geschichte? Wie kann ein Mensch so gefühlskalt sein, indem er sein Herz auf >>off<< schaltet?
Der Super – GAU einer Beziehung ist eingetreten, vielleicht habe ich es manchmal geahnt, dass es so kommen könnte. Am Sankt-Nimmerleins-Tag, aber nicht heute. Nicht bei uns beiden!
Jetzt stehe ich hier in den Resten meiner heilen Welt, die versunken ist. Sie ist zusammengebrochen, explodiert, kaputt. Wie hat das kommen können? - Das haben wir nicht verdient.
Bin ich ein Fußabtreter, auf dem man beliebig herumtrampeln kann, in dem sich nichts zusammen ziehen kann, da er keine Gefühle hat, der leblos ist?
A-ha singen immer noch, obwohl ich den CD-Player ausgeschaltet habe. Musik füllt den Raum, singt von Liebe und vom Leben. Der Scheiß ist das Allerletzte, was ich gerade noch brauchen kann. Verdammt!
Das muss aufhören! – Ruhe.
Da liegt ihr Pullover auf dem Sofa, ihr Geruch hängt schwer im Zimmer. Da ist sie, in meinen Gedanken, sticht mit einem glühenden Dolch in mein Herz, so fühlt es sich an.
Wieder und wieder.
Ich wünsche ihr alles Unglück der Welt, alles Schlechte. Soll sie doch dahin gehen, wo der Pfeffer wächst, mit wem auch immer. Auf Nimmerwiedersehen! Ich brauche sie nicht!
Jetzt bin ich alleine.
Angst füllt mich, wie ein antiker Tonkrug mit Wein gefüllt wurde.
Irgendwann beim Grübeln zerspringt das Gefäß. Es zerplatzt in Millionen kleiner Scherben, die die Gesichter von uns tragen und von meinen Tränen nass geworden sind.
Dann liegt im Zimmer eine Schicht aus Leinwandfetzen und Tonstücken. Dann schweigen auch a-ha endlich und ihre Lieder verstummen. Kein Gitarrenzupfen mehr, kein Singsang mehr der Herzen zum Schwingen bringen kann, und Tränen zum Laufen.
Mein Herz ist verletzt, blutet, verdorrt und gefroren. Das ist das Schlimmste was einem Menschen passieren kann.
Was würde ich geben, dass sie jetzt wieder hier stehen würde? Jetzt sofort, gleich.
Wir würden reden, sie würde sich entschuldigen, tausendmal, für das was sie getan hat.
Ich würde sie in die Arme schließen, alles wäre wie immer. Wirklich!?
Ich würde ab dem Moment die Tür unbewusst einen Spalt offen lassen, nur damit ich sehen kann was sie gerade malt.
Es könnte sein, dass ich meinen Farben nicht mehr offen herumliegen ließe, die Pinsel kämen in den Schrank. Argwöhnisch würde ich sie beäugen, wahrscheinlich.
Es kann nie mehr so werden wie früher, obwohl ich es mir wünsche, ganz tief drinnen. Lieber einmal verzeihen? - Menschen sind doch nicht fehlerfrei, oder?
Wo ist die Grenze des Verzeihens, die Grenze dessen was ich verzeihen kann?
Grenzenlos!? – sicher nicht.
Warum hat sie das Motiv unseres Bildes geändert, ohne dass wir vorher darüber gesprochen haben? Hätten wir bloß vorher die Zielkoordinaten abgesprochen, so wie die Menschen, die auf dem Schiff über unser Bildmeer schippern. Jetzt fahren die auf diesen Berg, laufen Leck und gehen mit Mann und Maus unter. Alles nur, weil meine Freundin einer Laune gefolgt ist, malt die ein Alpenpanorama rein, wie dumm kann man sein? Wie konnte denn passieren, was nicht passieren darf? Es ist Real, aber es will nicht im Kopf ankommen.
Es ist unwirklich.
Bin ich ein Niemand? Was ist mit unserer gemeinsamen Zeit?
Ich starre auf das Bild, verhunzt ist es. Das ist reif für den Mülleimer.
Ich nehme es seufzend von der Staffelei, will es mit dem Knie in zwei Teile brechen, lehne es aber beim Hinausgehen an die Wand. Ich sehe nicht, wie sich langsam im Halbdunkel die Farbe auflöst, das Motiv verschwindet. In meinem Kopf singen leise noch a-ha. Ich wische mit dem Handrücken neu laufende Tränen weg und schniefe. Das Bild ist fort. Rahmen, Staffelei und Leinwand sind noch da. Ich bin noch da und ich weiß, dass ich wieder malen kann, irgendwann, wenn ich will. Vielleicht singen dann a-ha wieder und ein Geruch schwebt durch den Raum, der nach einer Frau riecht, nicht wie früher, sondern neu und anders vertraut.
Es riecht nach der Freundin, nach meiner Freundin, und ihrem Parfüm. Vielleicht riecht es nach frischer Farbe, vielleicht auch nicht. Ich atme, nehme einen tiefen Zug Luft. Kein Seufzen. Es kann sein, dass die Leinwand wieder auf der Staffelei steht. Auf jeden Fall knarren die alten Holzdielen beim Gehen, wie immer.
Manolo Ramon // 14. April 2012
A-ha singen immer noch, so als wäre nichts gewesen. Reflexartig wollte ich meinem Arm um sie legen, aber sie ist nicht mehr da, wo sie immer stand. Draußen dämmert es bereits, mir läuft ein eisiger Schauer über den Rücken. Zwischen unser Bild und meine Augen legt sich ein salziger Nebel, der alles verschwimmen lässt.
Das Bild verliert seine Farben, Traurigkeit und Wut lassen es hässlich werden. Wie konnte ich es so sehr lieben, wie ich es heute verabscheue!?
Blanke Wut steigt mir in den Kopf, am liebsten würde ich den Rahmen von der Staffelei reißen, das Bild in tausend Fetzen auf dem Boden liegen sehen.
Sie wäre vielleicht entsetzt, käme sie jetzt zur Tür herein.
Die Zeit ist eingefroren, wie viel Uhr ist es wohl gerade? Was tut sie wohl gerade? Wo ist sie überhaupt? Wohin ist sie gegangen?
Schwere Tränen trocknen langsam auf meinem Gesicht und lassen die Haut jucken. Wir zwei haben immer an unserem Bild gemalt, haben nebeneinander gestanden. Oft, sehr oft, fast immer.
Die Pinsel verteilten die Farbe auf der Leinwand, ohne dass wir sprachen. Das Motiv unseres Gemäldes wechselte hin und wieder, aber war immer etwas, was uns beiden gehörte, nur uns zwei.
Manchmal malten sie oder ich auch alleine, wenn der andere nicht da war, aber immer wusste ich, dass nach der Rückkehr der andere weitermalen würde.
Schöne Harmonie, rein utopisch! – Natürlich haben wir uns auch oft gestritten, es hat Ärger gegeben. Das Auf und Ab, wie in jeder Beziehung. Jetzt wirkt das Bild halb fertig, viele Stellen sind noch weiß. Ich tunke den Pinsel in die Farbe, werfe ihn dann aber quer durch den Raum. Nach einem lauten >>Klack<< fällt er auf den Boden.
Ohne sie fühlt sich vieles schal an, wertlos. Selbst der heiße Kaffee ist kalt. Alles ist so umsonst und richtig unnötig.
Habe ich nicht gemerkt, dass sie seit längerem anders malte als sonst? Wo war sie in Gedanken? Wie unbefriedigend war ihr >>Ach nix!<< wenn ich sie fragte, an was sie gerade dachte.
Hatte ich nur mich selbst im Kopf, war ich weniger Aufmerksam?
Hätte ich es gemerkt, stände ich heute nicht vor diesem Scherbenhaufen oder doch? Wo ist das Gefühl der tiefen Verbundenheit hin, verschwunden im Mülleimer der Geschichte? Wie kann ein Mensch so gefühlskalt sein, indem er sein Herz auf >>off<< schaltet?
Der Super – GAU einer Beziehung ist eingetreten, vielleicht habe ich es manchmal geahnt, dass es so kommen könnte. Am Sankt-Nimmerleins-Tag, aber nicht heute. Nicht bei uns beiden!
Jetzt stehe ich hier in den Resten meiner heilen Welt, die versunken ist. Sie ist zusammengebrochen, explodiert, kaputt. Wie hat das kommen können? - Das haben wir nicht verdient.
Bin ich ein Fußabtreter, auf dem man beliebig herumtrampeln kann, in dem sich nichts zusammen ziehen kann, da er keine Gefühle hat, der leblos ist?
A-ha singen immer noch, obwohl ich den CD-Player ausgeschaltet habe. Musik füllt den Raum, singt von Liebe und vom Leben. Der Scheiß ist das Allerletzte, was ich gerade noch brauchen kann. Verdammt!
Das muss aufhören! – Ruhe.
Da liegt ihr Pullover auf dem Sofa, ihr Geruch hängt schwer im Zimmer. Da ist sie, in meinen Gedanken, sticht mit einem glühenden Dolch in mein Herz, so fühlt es sich an.
Wieder und wieder.
Ich wünsche ihr alles Unglück der Welt, alles Schlechte. Soll sie doch dahin gehen, wo der Pfeffer wächst, mit wem auch immer. Auf Nimmerwiedersehen! Ich brauche sie nicht!
Jetzt bin ich alleine.
Angst füllt mich, wie ein antiker Tonkrug mit Wein gefüllt wurde.
Irgendwann beim Grübeln zerspringt das Gefäß. Es zerplatzt in Millionen kleiner Scherben, die die Gesichter von uns tragen und von meinen Tränen nass geworden sind.
Dann liegt im Zimmer eine Schicht aus Leinwandfetzen und Tonstücken. Dann schweigen auch a-ha endlich und ihre Lieder verstummen. Kein Gitarrenzupfen mehr, kein Singsang mehr der Herzen zum Schwingen bringen kann, und Tränen zum Laufen.
Mein Herz ist verletzt, blutet, verdorrt und gefroren. Das ist das Schlimmste was einem Menschen passieren kann.
Was würde ich geben, dass sie jetzt wieder hier stehen würde? Jetzt sofort, gleich.
Wir würden reden, sie würde sich entschuldigen, tausendmal, für das was sie getan hat.
Ich würde sie in die Arme schließen, alles wäre wie immer. Wirklich!?
Ich würde ab dem Moment die Tür unbewusst einen Spalt offen lassen, nur damit ich sehen kann was sie gerade malt.
Es könnte sein, dass ich meinen Farben nicht mehr offen herumliegen ließe, die Pinsel kämen in den Schrank. Argwöhnisch würde ich sie beäugen, wahrscheinlich.
Es kann nie mehr so werden wie früher, obwohl ich es mir wünsche, ganz tief drinnen. Lieber einmal verzeihen? - Menschen sind doch nicht fehlerfrei, oder?
Wo ist die Grenze des Verzeihens, die Grenze dessen was ich verzeihen kann?
Grenzenlos!? – sicher nicht.
Warum hat sie das Motiv unseres Bildes geändert, ohne dass wir vorher darüber gesprochen haben? Hätten wir bloß vorher die Zielkoordinaten abgesprochen, so wie die Menschen, die auf dem Schiff über unser Bildmeer schippern. Jetzt fahren die auf diesen Berg, laufen Leck und gehen mit Mann und Maus unter. Alles nur, weil meine Freundin einer Laune gefolgt ist, malt die ein Alpenpanorama rein, wie dumm kann man sein? Wie konnte denn passieren, was nicht passieren darf? Es ist Real, aber es will nicht im Kopf ankommen.
Es ist unwirklich.
Bin ich ein Niemand? Was ist mit unserer gemeinsamen Zeit?
Ich starre auf das Bild, verhunzt ist es. Das ist reif für den Mülleimer.
Ich nehme es seufzend von der Staffelei, will es mit dem Knie in zwei Teile brechen, lehne es aber beim Hinausgehen an die Wand. Ich sehe nicht, wie sich langsam im Halbdunkel die Farbe auflöst, das Motiv verschwindet. In meinem Kopf singen leise noch a-ha. Ich wische mit dem Handrücken neu laufende Tränen weg und schniefe. Das Bild ist fort. Rahmen, Staffelei und Leinwand sind noch da. Ich bin noch da und ich weiß, dass ich wieder malen kann, irgendwann, wenn ich will. Vielleicht singen dann a-ha wieder und ein Geruch schwebt durch den Raum, der nach einer Frau riecht, nicht wie früher, sondern neu und anders vertraut.
Es riecht nach der Freundin, nach meiner Freundin, und ihrem Parfüm. Vielleicht riecht es nach frischer Farbe, vielleicht auch nicht. Ich atme, nehme einen tiefen Zug Luft. Kein Seufzen. Es kann sein, dass die Leinwand wieder auf der Staffelei steht. Auf jeden Fall knarren die alten Holzdielen beim Gehen, wie immer.
Manolo Ramon // 14. April 2012
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