Samstag, 14. April 2012
Man sieht sich immer Zweimal im Leben
Das Auto ist hin, also hat die Bahn einen Fahrgast mehr. Nach Landau steigt ein Pulk junger Bundespolizisten in den Zug ein. Angeführt von einem gemütlichen Alten mit Halbglatze. Seine jüngeren Kollegen tragen alle schusssichere Westen und schwer beladene Koppel um die Hüften. Alle kauen Kaugummi, bis auf den Altgedienten.
Zwei Jungs sind unter ihnen und auch eine Frau die aussieht, als könnte sie auch eben so gut Jura studieren.
Schon als ich sie alle auf dem Bahnsteig stehend sehe, denke ich mir, dass die eine gemeinsame Ausbildungsfahrt machen. Gegenüber von mir nimmt ein junger Mann Platz.
Könnte vielleicht ein Türke sein? Ich lese in der Frankfurter Rundschau, während ich aus dem hinteren Teil des Wagens schon Wortfetzten höre „Ausweis“, „Kontrolle“… Vernehmbar atmend kommt der dickliche Uniformierte an unseren Vierer. Er mustert kurz die Zeitung, dann mich und nickt freundlich. Dann spricht er den Mann schräg gegenüber an: „Kann ich mal den Ausweis sehen!?“ – Der Mann gibt ihn ihm.
Sieht nicht wie unser Perso aus. „Wie ist denn ihr Titel?“, aha da geht’s wohl um den Aufenthalt. Dann das Procedere. Ein paar Schritte im Gang weitergehen, mit dem Ausweis in der Hand. „Ja, ich bin´s. Mach mal ne Personenfahndung: Siegfried, Emil, Richard, Cäsar… Ah, ok. Negativ?“ Der Mann bekommt seinen Ausweis wieder. Die Jura-Frau rückt nach und sieht mich an: „Guten Morgen. Die Bundespolizei…“, dann sieht sie in Richtung ihres Chefs, der schüttelt unmerklich seinen Kopf. Die Combo zieht weiter. „Immer ficken die uns Ausländer!“, sagt der Mann erbost zu mir, dann fragt er: „Was hast du denn für einen Pass?“ Ich reiche ihm meinen Perso. „Der ist aber auch im Februar abgelaufen, mein Freund!“, er gibt ihn mir lachend wieder. - Oh, verdammt! Ein paar Reihen weiter beschwert sich ein Typ mit Dreads in tiefstem Hinterpfälzisch über die Polizeikontrolle.

Nach dem Dienst nimmt mich eine freundliche Sozialpädagogin mit, nachdem sie mich beobachtet hat, wie ich meinen Zielort am Automaten eingeben wollte. „Ich kann ab sieben Uhr immer noch fünf Leute kostenlos mitnehmen!“. Warum ein solch nettes Angebot ausschlagen? Im Zug sitzt im Vierer nebenan ein Paar und küsst sich die ganze Zeit, neben sich ein Sixpack Bier auf dem Sitz. Er mit viel Gel in den Haaren, sie mit einem schönen bunten Schal über der Outdoorjacke.
Ich gucke einen Moment zu lange rüber, gerade lange genug, um festzustellen: Die kennst du doch! Heute Morgen lief sie noch in dunkel- und hellblau durch den Zug. Sie lacht kurz. Die Jura-Frau mit ihrem Freund. Die Sozialpädagogin erzählt mir von Reisen nach Indien und der Ungleichbehandlung der Frauen dort. Dann stellen wir fest, dass wir beide in Ecuador waren, in der gleichen Stadt: Guayaquil. Später laufe ich ihr nochmal in der Bank über den Weg.

Manolo Ramon // 13. April 2012

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